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The International Student Association of Emergency Medicine (ISAEM) is thrilled to announce the first post in collaboration with the German blog #dasFOAM. We will be re-posting pieces from this amazing blog as part of our #FOAMed project.

We want to thank Carlos Glatz, our German National Ambassador, who is now leading several projects to increase our network not only in Germany but also throughout Europe!


ISAEM meets dasFOAM.org! Im Rahmen des ISAEM-Übersetzungsprojekts findet ihr hier unter anderem Highlights von den dasFOAM-Autoren als Repost. Los geht’s mit einem Artikel von August letzten Jahres:

Larynxmaske als Atemweg bei Reanimation: Die AIRWAYS-2 Studie

Wir leben in interessanten Zeiten! Die langen erwarteten Ergebnisse der AIRWAYS-2 Studie sind publiziert worden. Es wurde bei präklinischen Reanimationen die endotracheale Intubation verglichen mit dem supraglottischen Atemweg i-gel, einer Art ungeblockter Larynxmaske. Was im OP schon lange als ein Standard etabliert ist, wird im deutschen Rettungsdienst selten genutzt. Laut derzeitiger Lehrmeinung sichert nur der Endotrachealtubus als Goldstandard den Atemweg definitiv und schützt die Lunge am besten vor Aspiration. Doch was sagen die Daten?

Studiendesign

Das Ganze spielt in England, und damit in einem Rettungsdienst-System mit Paramedics und ohne Notarzt. Insgesamt wurden 9296 volljährige Patienten mit präklinischem, nicht-traumatischem Herz-Kreislaufstillstand in die Studie eingeschlossen. Die Studien-Paramedics mussten am Einsatzort eingetroffen sein bevor der Atemweg gesichert war, außerdem musste der Mund des Patienten sich um mehr als 2 cm öffnen lassen.
Interessanterweise wurden nicht die Patienten, sondern die Paramedics einem der beiden Studienarme randomisiert zugeteilt, sie bekamen ganz zu Beginn der Studie entweder ‘i-gel’ oder aber ‘endotracheale Intubation mit Bougie (ETT)’ zugewiesen und wurden anschließend noch einmal darin trainiert – in einer Art ‘Refresher’-Kurs mit kurzer Einschätzung am Ende. So ließ sich vermeiden, dass die Rettungsdienstler im Einsatz am Patienten nach eigener Vorliebe und den jeweiligen Gegebenheiten das von ihnen bevorzugte Device (i-gel oder ETT) nutzen. Außerdem hätte sich eine Randomisierung der Patienten vor Ort sowohl logistisch als auch ethisch nur schwer realisieren lassen.

So sah eine Reanimation nach Studienvorgaben aus:

  1. Paramedics treffen ein
  2. Beginn der Reanimation nach Standard-Algorithmus, Ventilation anfangs durch Beutel-Maske-Beatmung und Hilfsmittel
  3. Wenn nötig: Advanced Airway Management, abhängig vom Paramedic entweder ETT oder i-gel im ersten Versuch der Atemwegssicherung. Die Rettungsdienstler durften aber natürlich in dringenden Gründen davon abweichen und das Device benutzen, das ihrer Einschätzung nach am besten geeignet war.
  4. Wenn nötig: Zweiter Versuch der Atemwegssicherung laut Studienordnung mit demselben Device, allerdings konnten sich die Paramedics auch hier für eine andere Methode entscheiden.

Wichtige Anmerkung zwischendurch

Die Studie gibt in erster Linie keine Auskunft darüber, welches der beiden Devices besser ist, sondern welche Strategie (!):
Atemwegssicherung primär mit i-gel oder Endotrachealtubus.
Die Daten, insbesondere der primäre Endpunkt, wurden als Intention-to-treat Analyse verpackt – nur 72% der Patienten sind genau mit dem Device intubiert worden, was laut Studienarm vorgesehen war.

Der primäre Endpunkt

wurde erfasst mit Hilfe der modifizierte Rankin-Skala (mRS) nach 30 Tagen oder zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus:

  • 0 – Keine Symptome.
  • (…)
  • 3 – Mittelschwere Beeinträchtigung. Benötigt Hilfe im Alltag, kann aber ohne Hilfe gehen.
  • 4 – Höhergradige Beeinträchtigung. Benötigt Hilfe bei der Körperpflege, kann nicht ohne Hilfe gehen.
  • (…)
  • 6 – Tod

Welche Patienten hatten nun öfters ein gutes Outcome, definiert als mRS von 0-3?

  • Bei allen Patienten, die eingeschlossen wurden, fand sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen:
    → ETT – Studienarm: 6.8% (300 von 4407 Patienten)
    → i-gel – Studienarm: 6.4% (311 von 4882 Patienten)

Hier lohnt es aber, sich etwas tiefer durch die Daten zu wühlen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei Patienten unter Reanimation in der ETT-Gruppe bei 22.1% der Fälle gar kein Advanced Airway Management nötig war, im Vergleich zu 14.1% in der i-gel Gruppe. Das waren natürlich vor allem Patienten, die so schnell einen ROSC bekamen, dass kein erweitertes Atemwegsmanagement im Rahmen der Reanimation erforderlich war. Blendet man diese Patienten nun aber aus, sieht man sich also nur die Patienten mit Advanced Airway Management an, so kommt man auf folgende Ergebnisse im Hinblick auf ein gutes Outcome:

Patienten insgesamt, also auch inklusive Atemwegssicherung nach ROSC
→ ETT – Studienarm: 2.6% (88 von 3418 Patienten)
→ i-gel – Studienarm: 3.9% (163 von 4158 Patienten)
nur unter Reanimation

→ ETT – Studienarm: 2.3% (73 von 3182 Patienten)
→ i-gel – Studienarm: 3.2% (123 von 3892 Patienten)
aufgeschlüsselt nach der ersten Art von Device, das die Patienten jeweils bekommen haben:
→ ETT: 2.0% (58 von 2838 Patienten)
→ i-gel: 4.2% (193 von 4360 Patienten)

Die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Werten nach Studienarm (oben) und diesen näher betrachteten Daten liegt vor allem darin begründet, dass Patienten, die kein Advanced Airway Management benötigt haben, den primären Endpunkt dominieren (mit gutem Outcome von 21.1%). Diese Gruppe hat wie erwartet ein hohes und vor allem gutes Überleben, da es oft Fälle waren in denen ROSC erreicht wurde, bevor der Atemweg mit einem Hilfsmittel gesichert werden musste.
Allerdings sollte man Vorsicht bei der Interpretation und Gewichtung dieser herausgepickten Daten walten lassen, da hier die systematischen Fehler (Bias) nur so lauern!

Sekundäre Endpunkte (ausgewählt)

  1. Initialer Beatmungserfolg bei ≤ 2 Versuchen der Atemwegssicherung, in den jeweiligen Studienarmen (inklusive Beutel+Maske, wenn kein Advanced Airway Management stattfand)
    Signifikanter Unterschied!
    ETT – Studienarm: 79% (3473 von 4397 Patienten)
    → davon 69.4% erfolgreich bei Versuch mit Endotrachealtubus (1891 von 2723 Patienten)
    i-gel – Studienarm: 87.4% (4255 von 4868 Patienten)
    → davon 85.4% erfolgreich bei Versuch mit i-gel (3412 von 3994 Patienten)
  1. Regurgitation und Aspiration
    Kein signifikanter Unterschied. Aber interessant, denn bei Patienten mit Erstversuch der Atemwegssicherung durch ETT trat beides häufiger vor und seltener während oder nach der Intubation auf, im Vergleich zur i-gel Gruppe:
    Regurgitation und Aspiration vor Atemwegssicherung
    → ETT (21.1%, 13.5%)
    → i-gel (17.4%, 11%)
    Regurgitation und Aspiration während oder danach
    → ETT (12.5%, 7%)
    → i-gel (18%, 9.8%)
  1. Ungewollter Verlust des Atemwegs
    Signifikanter Unterschied!
    Insgesamt bei Verwendung der jeweiligen Devices
    → ETT 3.8% (103 von 2719 Patienten)
    → i-gel 10.7% (473 von 4436 Patienten)
  1. ROSC bei Klinikankunft
    → ETT 28.4%
    → i-gel 30.6%

Diskussion

Nun lässt sich der primäre Endpunkt der Studie auf verschiedene Arten interpretieren; einerseits kann man von Gleichwertigkeit zwischen ETT und i-gel sprechen, andererseits mit Recht sagen, dass die ursprüngliche Hypothese der Studie nicht bestätigt werden konnte: Die i-gel Maske hat nicht besser abgeschnitten als der alte Goldstandard endotracheale Intubation. Wenn beides gleichwertig ist, könnte man grundsätzlich beim Alten bleiben oder aber zum Neuen wechseln. Es macht hier Sinn, sich mit den Vor- und Nachteilen der beiden Atemhilfen zu befassen, doch dazu später.

In der ETT-Gruppe wurden die Patienten deutlich seltener intubiert. Oder anders gesagt: Paramedics, die für die Studie ETT als Strategie verwenden sollten, haben seltener davon Gebrauch gemacht – ganz im Gegensatz zur Gruppe mit der Larynxmaske. Es haben 18.6% aller Patienten aus der ETT – Gruppe doch ein i-gel verpasst bekommen, aus der i-gel – Gruppe erhielten nur 0.4% einen Endotrachealtubus. Ein Erklärungsansatz ist sicherlich, dass beide Techniken unterschiedliche Schwierigkeiten aufweisen und die endotrachealen Intubation teilweise nach den Umständen des Einsatzortes nicht gut möglich ist. Alte Rettungsdienst-Weisheit an dieser Stelle: Es ist erst eine richtige Reanimation, wenn der Patient im Hochsommer in der kleinsten Nische der Dachgeschosswohnung steckt und einen BMI wie Raumtemperatur hat.
Zusammenfassend lässt sich hier also sagen, dass das i-gel Device deutlich beliebter war – aus nachvollziehbaren Gründen.

Inwiefern ist dies alles nun auf das deutsche Notarzt-System übertragbar? Ärzte kann man doch wohl nicht mit Paramedics vergleichen, oder? Hier bezweifle ich, dass es im Hinblick auf Kompetenz in endotrachealer Intubation riesige Unterschiede gibt zwischen einem deutschen Nicht-Anästhesisten-Notarzt und einem motivierten englischen Paramedic, der sich freiwillig für diese Studie gemeldet hat und vor Beginn noch einmal in einem Kurs aufgefrischt und getestet wurde. Wichtig anzumerken ist allerdings auch, dass es sich hier um Intubationen bei direkter Laryngoskopie handelte, wohingegen auch Videolaryngoskope auf deutschen NEFs eingesetzt werden.

Das i-gel Device ist wohl meistens eine gute (erste) Wahl. Die Studie zeigte ein ähnliches Outcome im Vergleich zum ETT (mit positiver Tendenz in Richtung i-gel bei genauerem Blick auf die Daten) und einen besseren initialen Beatmungserfolg bei häufigerem ungewollten Verlust des gesicherten Atemweges. Große Vorteile der Larynxmaske liegen im Vergleich zum Endotrachealtubus in der einfachen Handhabung sowie geringen Zeit, die beansprucht wird um den Atemweg des Patienten zu sichern. Des weiteren ist i-gel besser unter widrigen Umständen anzuwenden, braucht kein weiteres Equipment, und bindet weniger personelle sowie kognitive Ressourcen. Auch viele Komplikationen der supraglottischen Alternative Larynxtubus, die ihr hier nachlesen könnt, werden vermieden. Trotzdem stellt der Endotrachealtubus weiterhin den wirklich definitiven Atemweg dar und wird spätestens in der Klinik zur optimalen weiteren Versorgung des Patienten eingebaut. Da freut es dann die Kollegen, wenn schon ein ETT liegt, aber auch wenn bei Verwendung einer Larynxmaske der Mund-Rachenbereich nicht wie oft beim Larynxtubus zugeschwollen ist.
Auch lassen sich leider nicht alle Patienten gut mit einer Larynxmaske beatmen, sei es aus anatomischen Gegebenheiten oder aber wenn hohe Beatmungsdrücke benötigt werden, wie bei Lungenpathologien oder sehr übergewichtigen Menschen.
Wegen der genannten Gründe ist meiner Meinung nach die Diskussion “Was ist denn nun besser?!” nicht unbedingt zielführend, vielmehr sollte der Fokus darauf liegen, dass man im Einsatz mehrere verschiedene Optionen zur Verfügung hat und somit für den Patienten individuell das beste auswählen kann.

Schlussgedanke(n)

Wieder einmal ruft uns diese Studie, die ja viel mehr ist als nur ein Vergleich zweier Atemwegsstrategien, in’s Gedächtnis, dass die Grundlagen der Reanimation (Basic Life Support) immer noch oberste Priorität haben. Wie der Autor in einem Interview betont, ist es durchaus möglich, dass erweitertes Atemwegsmanagement an sich gar keinen großen Effekt hat, sondern der Zeitfaktor den eigentlichen Unterschied macht: Atemwegssicherung darf nicht zu viel Ressourcen einnehmen (Zeit, Team, Kognitiv), mit denen sonst wichtigere Dinge im Hinblick auf einen optimalen Reanimationsablauf erledigt werden könnten.

Nach der im Februar veröffentlichten Studie, die keine Unterlegenheit von Beutel+Masken – Beatmung zur endotrachealen Intubation in außerklinischen Reanimationen feststellen konnte (Link), fehlt nun nur noch ein Vergleich zwischen Beutel+Maske und Larynxmaske! Wir sind gespannt.

Postskriptum

Gleichzeitig wird man unweigerlich daran erinnert, dass Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand außerhalb einer Klinik eine sehr schlechte Prognose haben, wenn nicht unmittelbar mit der Reanimation begonnen oder sogar ein AED angeschlossen wird. Während der Großteil aller Patienten nach Reanimation vor der Krankenhausentlassung verstirbt, überleben viele nur mit Einbußen in Lebensqualität. In dieser Studie hatten 2.8% ein gutes Outcome nach Reanimation und Advanced Airway Management durch die Paramedics.
Wie auch schon die kürzlich veröffentlichte PARAMEDIC2 Studie regt auch die vorliegende Literatur an, darüber nachzudenken, dass man mit der Indikation zur Reanimation bzw. Entscheidung zur Fortführung derselben im Einsatz nicht allen Patienten (und/oder deren Familien) einen Gefallen tut.

Hier der Link zur AIRWAYS-2 Studie.

Der Artikel darf im Sinne von #FOAMed ausdrücklich gerne studiert und zitiert, geteilt und verteilt, ausgedruckt und ausgelegt, geknickt und verschickt werden.
Wie immer gilt: Der Einzelfall entscheidet, die genannten Empfehlungen sind ohne Gewähr, die Verantwortung liegt bei den Behandelnden. Der Text stellt die Position des Autors dar und nicht unbedingt die etablierte Meinung und/oder Meinung von dasFOAM.